Dienstag, 23. April 2024

ein Geheimnisvoller

Jede Pflanze trägt ein Geheimnis in sich, und es ist gerade das Geheimnisvolle, das den Blumenwanderer am einjährigen, thermophilen Nacktfarn (Anogramma leptophylla) anzieht. Dies Geheimnis war es, welches vor Jahren sein Interesse an dieser besonderen Art weckte: alles begann mit einem Artikel im "Journal de Fully", worin über einen Ort berichtet wurde, wo im Winter deutlich sichtbar Wasserdampf aus dem Boden tritt. In der Nähe wurde eine Bohrung durchgeführt, um nach Möglichkeiten nur Nutzung unterirdischen Warmwassers zu suchen. Nebenbei wurde erwähnt, dass dort "une fougère rarissime" wachse, eine tropische Farnart, die im Schutz von kleinen Höhlen wachse.

Bald schon machte sich der Blumenwanderer nach Fully auf, stolperte über Stock und Stein, bis er zu guter Letzt vor einer Mini-Grotte stand, die ihre frostempfindlichen Bewohner vor den Unbilden der Witterung schützt. Sogar die Sonne schien ins Stübchen und beleuchtete zarte Farn-Fiederchen, die hellgrün aus dem Dunkel leuchteten. Obgleich es windstill war, zitterten sie leicht in einer Luftströmung, die aus dem Innern der Grotte kam. Ein magisches Erlebnis. Seither ist die Faszination noch grösser geworden. Neue Fundorte kamen ans Licht, neue Fakten auch, das Geheimnis aber blieb.

Der Nacktfarn ist ein sehr zarter und kälteempfindlicher Frühlingsfarn, der nur wenige Zentimeter gross wird und bald auch schon wieder verdorrt. In der Schweiz kommt er nur im Tessin vor und im Wallis an wenigen Fundorten. Dieser Beitrag zeigt einige Streiflichter von Fundorten im Wallis.



mindestens so interessant wie die Pflanze an sich
ist auch der Lebensraum, wo sie auftritt: meist 
sind es wie hier geschützte Stellen in kleinen Grotten







der Nacktfarn wächst zumeist gesellig auf feiner Erdkrume.
Er entstammt dem tropisch-subtropischen Milieu,
das heisst, dass er eine gleichbleibend feuchte
und warme Umgebung benötigt, um zu überleben

etwas Petersilienartiges hat er schon


hier ein Fundort direkt an einem Wanderweg.... 
in mehreren Felsnischen im Oberwallis.



zu sehen sind hier ebenso die dürren Fiederchen
vom Vorjahr

und da wächst zusätzlich der Nordische
Streifenfarn (Asplenium septentrionale),
von dem der Nackfarn fast verdeckt wird

die Hauptfiedern des Nacktfarns werden nur wenige Zentimeter hoch
und sind meist dreifach eingeschnitten


hier wieder eine typische Kleinhöhle, ...
aus der Warmluft strömt.

auch hier profitiert der Nacktfarn
vom lokalen Mikroklima
er wächst jedes Jahr neu aus den Prothallien,
die erstaunlicherweise mehrjährig sind

in einer individuenreichen Kolonie findet sich der Nacktfarn
auch in den Follatères, z.B. unter diesem Felsblock

manchmal sind die Standorte ziemlich überwachsen
dieselbe Stelle nach der Befreiung von Gamander und Gras


wieder vorher und nachher
der Nacktfarn leidet stellenweise unter der starken
Konkurrenz durch andere Pflanzen



ein tiefes Loch, wo es sehr schattig ist
auch hier finden sich Spuren des Nacktfarns,
auch wenn es mehr seine Prothallien sind,
die man erkennt


hier wiederum eine kleine Gneishöhle an einer Felskrete





hier ist das typische nierenförmige
erste Blatt dieser Art zu sehen

und auch der Streifenfarn (Asplenium trichomanes)
 oben profitiert vom geschützten Standort





hier öffnet sich ein natürlicher Kamin
im Boden. Es ist der aussergewöhnlichste
Standort, den ich im Wallis kenne, ...
denn der Nacktfarn wächst hier offen
am oberen Rand des Kamins,
d.h. nicht geschützt
durch eine Ueberwölbung


und so sieht's aus, wenn man zu spät kommt:
zu sehen in dieser Nische zwischen zwei Felsplatten an der Südrampe
sind Mitte Mai nur noch die verdorrten Fiedern nach der Sporenreife.






Dienstag, 9. April 2024

The Drunken Botanist....

ist der Titel eines Buchs, dessen Kredo lautet: Every great drink starts with a plant. Dass das wahr ist, kann der Blumenwanderer bezeugen, nur dass seine Räuschlein eigentlich nicht mit einem Drink beginnen, wohl aber - wie könnte es anders sein - mit den Blumen im Vorfrühling. Und das ultimative Shangri-La in dieser Hinsicht sind immer noch die Walliser Follatères, wo es dieses Jahr früh wie noch nie grünte und blühte.

Und trunken kann man in der Tat werden in diesem Botanist's Paradise, wo man auf Schritt und Tritt neuen Arten begegnet, die Nachtigallen schon zwitschern und einen angenehme Gerüche umwehen. Ein idealer Rückzugsort vom bösen Weltgeschehen sozusagen. Zudem ungewöhnlich warm für Anfang April mit Temperauren von fast 30 Grad und Sandstaub aus der Sahara am gelben Himmel.

Dem Naturfreund braucht man die Follatères nicht mehr vorzustellen: eine der helvetischen Hochburgen der Botanik, der Ornithologie und Entomologie, die es wohl verdient, im Inventar der Landschaften von nationaler Bedeutung zu sein. Wobei zu sagen ist, dass sich der Blumenwanderer sicherheitshalber jeweils auf die Botanik beschränkt, die auch diesmal genug Stoff lieferte für einen Schwips und einen neuen Beitrag.


der Saharastaub lässt die Landschaft in einem ganz anderen Licht erscheinen
und so "grüsst das Bietschi" für einmal nicht im Hintergrund




für die Pflanzenwelt bedeutet er mineralischen Dünger


an der Spitze des Blütenstandes der Schopfigen
 Traubenhyazinthe (Muscari comosum) befindet sich
ein auffälliger Schopf zahlreicher blauvioletter,
 aufwärtsgerichteter, steriler Blüten.
 Darunter sind die blassbraunen, oft etwas grünlichen
fertilen Blüten angeordnet.




eine der typischen Arten der Region ist
das Blasenschötchen (Alyssoides utriculata)


fast schon massenhaft sehe ich dieses Jahr
in den Rebbergen und auch sonst die
Kugelsamige Platterbse (Lathyrus sphaericus)


links und rechts ist dieselbe Art zu sehen,
nur das sie rechts von einem Pilz infiziert ist:
Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias)




es ist Iriszeit! Hier mit der
Deutschen Schwertlilie (Iris xgermanica)



bei diesem zarten Pflänzli auf kargem
Boden muss ich eine Weile rätseln,
aber es entpuppt sich schliesslich
als mein "Catch of the Day"
der Schlupfsame (Crupina vulgaris)
wurde im Gebiet seit 1987 nicht mehr
gemeldet. Wer hätte gedacht, dass
er ungeteilte Grundblätter hat!


6 Orchideenarten blühen schon! Hier
das Kleine Knabenkraut (Orchis morio)


oben ist es in drei Blühstadien zu sehen:
Vollblüte, aufblühend und knospend




das Holunder-Knabenkraut
(Dactylorhiza sambucina)...

existiert in zwei Farbvarianten.


Ohnsporn (Aceras anthropophorum)
Männliches Knabenkraut (Orchis mascula)

Schwärzliches Knabenkraut
(Orchis ustulata)
Blasses Knabenkraut (Orchis pallens)



nach der Parade der Divas diejenige 
des unscheinbaren Fussvolks, das
mir nicht weniger sympathisch ist


erstmals bewusst gesehen:
Frühlings-Ehrenpreis (Veronica verna)
mit winzigen himmelblauen Blütchen





in den Steppenrasen liegen jetzt zu Tausenden 
die rosa Sternchen der Ackerröte (Sherardia arvensis) umher

der Gelbe Günsel (Ajuga chamaepitys) ist dann schon weniger häufig


ein winziges Nägeli


der Einjährige Knäuel (Scleranthus annuus)





das unauffällige Piemonteser Kreuzlabkraut
(Cruciata pedemontana) steht in Vollblüte!


auch das ist ein Steinkraut, allerdings mit viel kleineren
Blüten als seine auffälligen Cousins:
Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides)




einer meiner Lieblingsarten ist der
Genfer Günsel (Ajuga genevensis)...
der hier eine Wuchshöhe von 
fast einem halben Meter erreicht!



diskreter, aber auch nicht gerade selten findet man
den Zwiebel-Steinbrech (Saxifraga bulbifera)



Blauer Lattich (Lactuca perennis)




Glatt-Brillenschötchen (Biscutella laevigata)





ein weiterer meiner hiesigen Favoriten,
die Kranzrade (Silene coronaria),
blüht noch nicht


Arizona?





Felsenbirne (Amelanchier ovalis)
Felsenkirsche (Prunus mahaleb)

weiter geht's mit den Weissblühern:
der erstaunlicherweise schon blühende
Breitsame (Orlaya grandiflora)
Acker-Steinsame (Buglossoides arvensis)



Hügel-Erdbeere (Fragaria viridis)

schon erstaunlich, so oft und so früh schon das
Schwärzliche Knabenkraut anzutreffen!




was ist denn mit diesem Knolligen
Hahnenfuss (Ranunculus bulbosus)
geschehen? Das Phänomen nennt
sich Verbänderung (Fasziation)

eine häufig anzutreffende Farnart hier ist der
Schwarzstielige Streifenfarn (Asplenium adiantum-nigrum)







unter obigem Gneisblock sieht man eine weitere Farnart:
Nordischer Streifenfarn (Asplenium septentrionale)

schaut man etwas tiefer darunter, offenbart sich zum Schluss noch dies:
der Nacktfarn (Anogramma leptophylla), ein schöner Schlusspunkt!